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Presseschau: Der älteste Satz in menschlicher Sprache

«Bärgöttin und Vogelgöttin sind wirklich die Bärgöttin»

Im Balkan - und nicht im Zweistromland - finden sich die ältesten Zeugnisse menschlicher Sprache, auf 7000 Jahre alten Tonscherben. Einem amerikanischen Forscher ist es gelungen, einen Satz in der Vinca-Schrift der alteuropäischen Kultur zu entziffern.

awy. «Bärgöttin und Vogelgöttin sind wirklich die Bärgöttin.» So lautet nach neuen, spektakulären und auch etwas spekulativen Forschungen der älteste bekannte Satz in menschlicher Sprache. Aufgeschrieben wurde er vor rund 7000 Jahren auf zwei tönernen Spinnwirteln (Schwunggewichten einer Handspindel). Sie kamen bei Grabungen in Jela zutage, westlich von Belgrad am Südufer des Flusses Sawe. Sie tragen Zeichen in der sogenannten Vinca-Schrift, benannt nach einem andern Fundort in der Nähe von Belgrad. Vinca- Zeichen wurden bei archäologischen Grabungen an mehreren Orten im Balkan und in Pannonien gefunden. Es sind einige Dutzend verschiedene Zeichen bekannt. Sie bilden die Schrift der sogenannten alteuropäischen Kultur, welche in der Jungsteinzeit zwischen 6000 und 4000 v. Chr. in Südosteuropa existierte, dann aber vermutlich durch eine Völkerwanderung ausgelöscht wurde.

Figuren und Zeichen

Den Satz entziffert hat der amerikanische Linguist Toby Griffen, emeritierter Professor für Fremdsprachen und Literatur an der Southern Illinois University Edwardsville, nahe St. Louis, gegenwärtig Präsident der Linguistic Association of Canada and the United States. Er fand den Schlüssel zur Vinca-Schrift durch Zusammenfügen von wenigen Einzelstücken aus einer grossen Menge von Puzzleteilen, in diesem Fall Werkzeugen und Figürchen aus Ton, die Schriftzeichen aufwiesen. Er untersuchte, in welchen Zusammenhängen bestimmte Zeichen auftreten. Auf Spinnwirteln vermutete er Texte mit religiösen Inhalten, denn das Spinnen und die Spindeln haben oft eine religiöse oder mythische Bedeutung, von den Sagen des Altertums bis zu den Märchen der Neuzeit. Auf zwei Spinnwirteln (Abbildung) fand Griffen eine fast vollkommen übereinstimmende Zeichenfolge - gleiche Zeichen, gleicher Satz, gleiche Aussage, vermutete er.

Griffen identifizierte drei verschiedene Zeichen, im Kreis herum geschrieben, vorwärts und rückwärts lesbar. Auf Tonfigürchen, die Bären und Vögel darstellen oder aber Menschen mit Bären- und Vogelmasken - man denkt an das Fabelwesen des Vogel Greif, halb Mensch und halb Tier -, fand er die drei Zeichen wieder. Er fand heraus, dass sie für die Begriffe Bär, Vogel und Göttin stehen. Auch erkannte er in den Zeichen die abstrahierende Darstellung einer Bärentatze und einer Vulva (zwei parallele Striche, ausnahmsweise einer) als Symbol der Fruchtbarkeit. Das Wort Göttin ist wichtig; auf einigen Fundstücken ist es umrahmt. So entstand eine Wortfolge: Bär - Göttin - Vogel - Göttin - Bär - Göttin - Göttin. Daraus bildete Griffen seinen Satz: «Die Bärgöttin und die Vogelgöttin sind wirklich die Bärgöttin.» Man könnte wohl auch so formulieren: «. . . sind die Bärgöttin - eine Göttin». Dass der auf Anhieb kaum verständliche Satz eine sinnvolle Aussage enthält, zeigt Griffen mit einem Exkurs in die griechische Mythologie. Die Jagdgöttin Artemis geht auf ältere Bär- und Vogelgottheiten zurück, wobei ihr Bärwesen dominierte und ihr Vogelwesen zurücktrat. Sie spielte eine Rolle in Initiationsriten für junge Frauen, die bei solchen Gelegenheiten als «Bärinnen» auftraten. Sie war auch zuständig für das Textilhandwerk.

Hinweise auf den Artemis-Kult

Der Satz auf den Spinnwirteln wirft somit ein Licht auf die Ursprünge des Artemis-Kults, als Bär- und Vogelgöttin zu einer einzigen Bärgöttin verschmolzen wurden. Zudem weist Griffen darauf hin, dass Artemis den Bären mit der Wortwurzel «Art» in ihrem Namen trägt: «Ar(c) turus» bezeichnet im Lateinischen (als Lehnwort aus dem Griechischen) das Sternzeichen des Grossen Bären, und «Artio» ist die Bärgöttin der Kelten.

Wenige Puzzleteile, richtig zusammengesetzt, ergeben ein Stück eines Bildes. Griffens Entdeckung ist verblüffend - das Produkt von Fachwissen, Akribie und Phantasie. Der Forscher geht von gewagten Annahmen aus, findet erstaunliche Übereinstimmungen und zieht in sich schlüssige Folgerungen. Für den Laien ist Griffens Herleitung einleuchtend. In der Fachwelt dürfte sie noch diskutiert werden. Bisher war umstritten, ob die Vinca-Schrift wirklich als Schrift zu bezeichnen sei. Manche Forscher bezweifelten bisher, dass diese Zeichen sinnhaltige Sätze darstellen. Solche Zweifel sind nun wohl ausgeräumt.

Alteuropäische Kultur im Balkan

Den Begriff «Altes Europa» prägte die Archäologin Marija Gimbutas. Sie gilt als wichtigste Erforscherin der jungsteinzeitlichen Kultur Südosteuropas. Diese beschrieb sie als matriarchalische Kultur mit einer universalen Muttergöttin. Griffens Untersuchung passt mit diesen Annahmen zusammen. Sie führt zum Schluss: Die ältesten überlieferten Sprach- und Schriftdokumente der Menschheit stammen aus Südosteuropa - der Balkan war eine Wiege der Zivilisation, noch vor Mesopotamien.

Toby D. Griffen: Deciphering the Vinca Script (Revised 8 April 2005),www.fanad.net. Weitere Informationen unter:www.prehistory.it/ftp/winn.htm

Quelle: NZZ vom 15. Juli 2005

2005-07-15, Lorenz E. Baumer

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