table des matières

Presseschau: Eine City-Map für die alten Römer
Mitten im antiken Rom hing ein gigantischer Stadtp...
2005-05-29

Presseschau: Gesetz gegen den schlechten Ruf
Am 1. Juni tritt in der Schweiz das Kulturgütertra...
2005-05-29

Presseschau: Griechische Mythen auf klassizistischen Gemmen
Griechische Mythen Der klassizistische Gemmenschn...
2005-05-27

Presseschau: «Zum Glück waren die Römer schreibfreudig»
Brugg Die Sonderausstellung «Geritzt und entziffer...
2005-05-25

Presseschau: Bankettsaal aus dem 1. Jahrhundert in Petra
Archäologen haben nördlich der Felsenstadt Petra i...
2005-05-19

Presseschau: Göttliche Pflanzenkunde
Botanik ist die Lehre von den Pflanzen – vom Leben...
2005-05-14

Presseschau: Nun gilt es ernst - Das Kulturgütertransfergesetz tritt in Kraft
Am 1. Juni 2005 tritt das neue Bundesgesetz über d...
2005-05-07

Presseschau: Pompei öffnet für einen Monat sein antikes Restaurant
POMPEI - Wie speisten eigentlich die antiken Pompe...
2005-05-03

Presseinformation: Ausstellung zur griechischen Pflanzenwelt in der Antike
Archäologische Sammlung der Universität Zürich Rä...
2005-04-28

Presseschau: Kulturgüter im Röntgenblick - Berührungsfreie Analyse von Materialien
Kulturgüter im Röntgenblick Berührungsfreie Analy...
2005-04-27

 
Informez nous par courriel

News

Presseschau: Eine City-Map für die alten Römer

Mitten im antiken Rom hing ein gigantischer Stadtplan, der nach und nach zerfiel. Jetzt setzen Forscher das Marmor-Puzzle mit Hilfe modernster Technik wieder zusammen.

Von Geneviève Lüscher

Für die Römer muss es ein atemberaubender Anblick gewesen sein: Ein riesiger Stadtplan, eingemeisselt auf Marmorplatten, hing da an einer Tempelwand und zeigte die unglaubliche Grosse der Millionenstadt. Aus 150 unterschiedlich grossen Teilen zusammengefügt, mass er 18 auf 13 Meter!
Von dieser «Forma Urbis Romae» (zu Deutsch: Gestalt der Stadt), wie das Wunderwerk heute genannt wird, sind aber nur noch etwa 15 Prozent vorhanden, zerbrochen in über 1000 Fragmente. Eingetragen sind alle Bauwerke Roms, also nicht nur Tempel und Paläste, Theater und Aquädukte, sondern auch Wohnhäuser, Läden, Hinterhöfe, Treppen und sogar Türen. Die «Forma» bildet mit diesen verblüffenden Details eine erstklassige und einzigartige Momentaufnahme der antiken Metropole, vorausgesetzt, man kann sie lesen! Und so bemühten sich seit dem Auffinden der ersten Marmorstücke im 16. Jahrhundert ganze Forschergenerationen um dieses Puzzle, wobei die Grosse und vor allem das Gewicht der Teile diesen Bemühungen rasch Grenzen setzen. Es ist bis anhin nicht gelungen, den Plan zusammenzusetzen.
Mit den Computerwissenschaftern der Stanford-Universität in Kalifornien sind neue Spieler aufgetreten. Mit ihrer Hilfe sollte es möglich werden, das ungenutzte wissenschaftliche Potenzial dieses Monuments besser auszuschöpfen. Jedes Stück, das seinen definitiven Platz findet, wird neue Einsichten generieren - über die antike Stadtplanung und Architektur, über das Kartenwesen, die römische Verwaltung und Topographie der Ewigen Stadt. Wo spielte sich das religiöse Leben ab, wo ging man einkaufen, wo hausten die Armen, wo residierten die Reichen? Auch für moderne Bauherren dürfte es interessant sein, was sie erwartet, wenn sie heute irgendwo im Stadtzentrum Roms eine Tiefgarage bauen wollen; möglich, dass gerade ihre Parzelle auf dem Plan eingetragen ist.

Im Kirchengemäuer
Die Forma Urbis wird in keiner antiken Quelle erwähnt, sie kann also nur aus sich selbst heraus datiert werden. Altertumsforscher haben herausgefunden, dass kern Gebäude eingezeichnet ist, das aus der Zeit nach Kaiser Septi-mius Severus stammt. Das ergibt einen sogenannten «terminus ante», das heisst: Der Plan muss während oder vor der Regierungszeit dieses Kaisers (193-211 n. Chr.) erstellt worden sein. Einen «terminus post», das heisst eine Zeitangabe nach einem bestimmten Ereignis, gibt eine Platte, auf der das
Septizodium zu sehen ist; dieser den sieben Planetengöttern geweihte Tempel wurde im Jahr 203 erbaut. Die Forma Urbis muss also zwischen 203 und 211 n. Chr. entstanden sein. Sie wurde an einer Wand des Templum Pacis, des Friedenstempels, angebracht.
Im 5. Jahrhundert, der Stern des Imperiums ist am Sinken, muss ein Teil dieser Tempelmauer einem Durchgang weichen; Partien des marmornen Stadtplans werden dabei zerstört. Ein Jahrhundert später wird die restliche Tempelmauer zur Aussenwand der christlichen Kirche Ss. Cosma e Damiano umfunktioniert; etliche Platten werden als Baumaterial verwendet, die übrigen fallen mit der Zeit von der Wand herunter. Erst 1000 Jahre später, 1562, als der Raum hinter der Kirche zu einem Garten umgestaltet werden soll, kommen sie wieder zum Vorschein. Nur das mit der italienischen Renaissance erwachte Interesse an der Antike bewahrt sie vor der Zerstörung. Die Fragmente werden eingesammelt, gezeichnet und im Palazzo Farnese sogar ausgestellt. Mitte des 18. Jahrhunderts, einige Platten sind bereits wieder verschollen, gelangt die Sammlung ins Kapitolinische Museum.
1903 versucht der italienische Archäologe Rodolfo Lanciani als Erster, die Forma Urbis im Garten des Museums zusammenzusetzen; sie muss aber aus konservatorischen Gründen bald wieder abmontiert und eingelagert werden. Seither sind immer wieder neue Fragmente zum Vorschein gekommen, das letzte Stück im Jahr 2001.
Heute befindet sich die Forma Urbis im Depot des Museo della Civiltä Romana im von Mussolini erbauten EUR-Vorort. Eine neue Präsentation aller Fragmente wiederum im Kapitolinischen Museum ist in Vorbereitung. Die Wand des Templum Pacis, später Rückwand der Kirche, ist erhalten geblieben; die Löcherreihen der Bronzeklammern, mit denen die Platten befestigt waren, sind noch heute sichtbar.
Eine wissenschaftliche Analyse der Darstellung setzte erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts ein, als versucht wurde, die antiken Monumente in Rom auf dem Plan zu identifizieren. Aber keinem Forscher gelang es, alle Teile des Puzzles unterzubringen. Schwierigkeiten bereiten vor allem die etwa 400 glatten Teile, die von den Randpartien des Plans stammen müssen, von grossen Plätzen oder breiten Strassen.
Die Gebäude auf der Forma Urbis sind im Massstab 1:240 dargestellt; diese ist im Gegensatz zu heutigen Plänen nicht nach Norden, sondern nach Südosten ausgerichtet. Erstaunlicherweise enthält der Plan keine politischen Grenzen; so ist zum Beispiel die heilige Stadtgrenze, das Pomerium, nicht eingetragen. Über die Funktion des gigantischen marmornen Stadtplans herrscht Uneinigkeit. Bis anhin war man der Meinung, es handle sich entweder um eine Art Katasterplan, der die Besitzverhältnisse festhielt, oder um einen Orientierungsplan. Neuere Forschungen halten diese Interpretation für falsch, weil die Grosse des Plans eine Konsultation verhinderte: Es war von unten schlicht nicht möglich, die Details am oberen Rand zu erkennen. Zudem müssten auf einem Katasterplan die Besitzer vermerkt sein, was nicht der Fall ist. So vermutet David Reynolds von der Uni Michigan, dass der Marmorplan zwar eine genaue Momentaufnahme Roms darstellt, aber rein dekorativen Charakter hatte. Seiner Meinung nach zierte er die Wand einer Tempelhalle, in der sich das römische Katasterbüro befand. Hier wurden die auf Papyrus aufgezeichneten Katasterpläne aufbewahrt, nachgeführt und verwaltet.
Das neue, vor wenigen Jahren lancierte «Stanford's Digital Forma Urbis Romae Project» unter der Leitung von Marc Levoy und Jennifer Trimble von der Stanford-Universität und der Sovraintendenza ai Beni Culturali di Roma wird vielleicht auch dieses Problem lösen helfen. Sein Hauptziel ist aber ein anderes: Die heute nur mit einer Spezialerlaubnis einsehbaren Platten sollen als einmalige historische Quelle allen Interessierten zugänglich sein. Trotz anfänglichen Widerständen der archäologischen Behörden Roms, die an einem Gelingen des Projektes zweifelten, konnte das internationale Forscherteam 1999 beginnen. In einem ersten Versuch wurde jedes Fragment beschrieben, fotografiert, und von den digitalisierten Bildern wurden die Umrisse der Fragmentoberfläche eingescannt. Zur Beschreibung und Identifizierung eines Fragments gehören etwa die Dicke der Steinplatte, die Marmoräderung, die Fixierungslöcher, die Tiefe der eingravierten Linien.

Virtueller Stadtrundgang
Es stellte sich rasch heraus, dass die Oberfläche vieler Stücke erodiert war, dass die Bruchkanten der mehrere Zentimeter dicken Platten ganz unregelmässig verlaufen und dass mit den Umrissen allein zu wenige Informationen vorhanden waren, um zusammenpassende Stücke zu finden. In einem zweiten Arbeitsgang mussten deshalb alle Bruchkanten mit einem Laserscanner abgetastet werden. In 4 Wochen, im 24-Stunden-Betrieb während 7 Tagen in der Woche fütterten 6 Forscher ihre Computer mit Milliarden von Daten und mit 6000 Farbbildern. Mit insgesamt 40 Gigabyte kehrten sie in die USA zurück, wo die aufwendige Datenbearbeitung in Angriff genommen wurde und bis heute andauert.
Sobald die Daten aller Fragmente ausgewertet sein werden, was gemäss Levoy noch diesen Sommer der Fall sein soll, wird jedes Stück mit einem dreidimensionalen Modell im Internet unter «formaurbis.stanford.edu» abrufbar sein. Von der ursprünglichen Idee jedoch, dass sich jedermann über Internet auch am Zusammensetzspiel beteiligen kann, habe man leider Abstand nehmen müssen, meint Levoy bedauernd; die Entwicklung eines derartigen Instruments habe ihre Kapazitäten überstiegen. Dreidimensional nach passenden Bruchkanten zu suchen, bleibt weiterhin den Spezialisten in Stanford vorbehalten; «und wir sind erfolgreich. Gegen 20 neue Passstücke haben wir bis jetzt gefunden», berichtet Levoy stolz. «Wir stellen uns vor, dass nach Projektabschluss der Internetbenützer, wenn er das Wort eingibt, virtuell dem Fluss entlangspazieren kann. Er wird an grossen Lagerhallen vorbeigehen, dann kleinere Läden passieren und schliesslich dicht bewohnte Quartiere streifen, bevor er ins Herz der City kommt.»
Da nur noch 15 Prozent des Stadtplans existieren, wird die Forma Urbis nie wieder vollständig zusammengesetzt werden können. Die Art und Weise jedoch, wie die Marmorplatten von der Wand fielen und während Jahrhunderten hinter einer Kirche einen mehr oder weniger unberührten Schutthaufen bildeten, lässt die Fachleute hoffen, dass noch viele der vorhandenen Fragmente aneinander passen werden.

Quelle: NZZ am Sonntag, 29. Mai 2005, Wissen

2005-05-29, Lorenz E. Baumer

livres & articles

Vient de paraître
Laeetitia Phialon

L’émergence de la civilisation mycénienne en Grèce centrale.
AEGAEUM 32. Annales liégeoises et PASPiennes d’archéologie égéenne
...
lire cet article

autres livres & articles
Cliquez ici.


fin de la page